2. Was ist eine Mailbox? |
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2.1.1 Mailbox:
Sinn: Eine Mailbox ist ein - oft aus mehreren Teilsystemen bestehendes - Programm, welches via Modem oder ISDN
einen Zugang schuf, um andere Leute auf seinem eigenen PC zuhause zu empfangen. Die sogenannten User konnten
das Mailbox-System auf vielfältige Weise benutzen: Der interessanteste Bereich war wohl unbestreitbar
der Download-Bereich, denn ohne Internet kam man seinerzeit nicht sehr einfach an Dateien 'ran. Von Shareware-Programmen
(Spiele, Tools, Anwendungen) über Bilder (Filme, Models, Natur, selbstgerenderte etc.) und Text-Dateien (Mailbox-
Listen, Songtexte, Filmskripts, Dokus etc.) bis zu Musik (damals vorwiegend im MOD- oder MIDI-Format) war alles geboten.
Ausserdem boten Mailboxen Nachrichten-Bereiche, in denen man öffentlich über alle erdenklichen Themen
diskutieren oder sich Rat suchen konnte (im Internet erledigen diesen Job nun die Foren). Diese News konnte man auch als
sogenannter Point (mehr dazu unter 2.3) ausserhalb der Mailbox automatisiert abrufen. Mit "Nachrichten aus aller Welt" hatten
diese Nachrichten nichts zu tun - es handelte sich vielmehr um Meinungen, Erfahrungsberichte und gegenseitige Hilfestellung.
In größeren Mailboxen gab es ausserdem die Möglichkeit via Chat andere Leute
kennenzulernen - die direkte Kommunikation ausserhalb des Telefons/Funk war damals absolut einzigartig. Ausserdem
boten manche Mailboxen auch Online-Spiele an, wie z.B. Schach oder Tetris, was zum Zeitvertreib auch absolut spannend war.
Datei-Nachschub und vor allem Nachrichten erhielten Mailboxen vorwiegend durch Netze. Streng hierarchisch und straff geregelt
gab es hier die Möglichkeit, deutschlandweit verbreitete Nachrichten-Netze wie Fido, GerNet, TNGNet oder lokal verteilte
Netze wie das LachNet oder Regional-Bereiche des Fido zu beziehen, um den Mailbox-Benutzern genug zu lesen zu geben. Diese
Netze wurden je nach Größe und Hierarchie des Systems meistens nachts, teilweise aber auch alle paar Stunden
aktualisiert. Das Mailbox-System rief automatisiert das zuständige Boss-System an (Hierarchie: Point -> Node -> Hub -> Host)
an und erledigte den Download der seit dem letzten Anruf angesammelten neuen Nachrichten. Ebenso funktionierten die File-Netze
(z.B. Gamesnet, GFDNet [OS/2-Dateien], ISDNNet, PixMixNet [Bilder], WoSNet [World of Sound] usw.) in denen man fast ausschliesslich
nachts wegen der günstigeren Telefontarife megabyte-weise Dateien (Programme, Sounds, Bilder, Texte usw.) über die
Modem/ISDN-Leitung runterlud, um den Mailbox-Benutzern die neusten Downloads anbieten zu können und natürlich selbst
von diesem Dateiangebot zu profitieren. Je nach Netz konnte man auch selbst Dateien posten, die dann durch's ganze Netz
verbreitet wurden. Je größer also die Zahl der angebotenen Netze war, umso attraktiver wurde durch die Vielfalt an
verschiedenen Dateien eine Mailbox für die User.
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Technik: Das ganze funktionierte in der Art, dass der User sich mit einem sogenannten Terminal-Programm einwählte
(mehr dazu unter 2.2) und die Mailbox entsprechende Seiten, die ein wenig an die BTX-Texttafeln erinnerten, auf dessen
Bildschirm anzeigte. Die Steuerung funktionierte nicht mit der Maus sondern ausschliesslich per Tastatur. Man drückte
beispielsweise C um den Chatraum zu öffnen. Die Verbindung zu einer Mailbox stellte man mit der Telefonleitung her:
man stöpselte einfach ein Modem in die Telefonbuchse sowie an den PC, das war's. Per ISDN-Karte, die meist
im PC eingebaut war, konnte man auf die gleiche Weise eine Verbindung herstellen.
Programme: Mitte der 90er Jahre hatten sich einige besonders attraktive Programme etabliert, mit denen man eine Mailbox betreiben
konnte, dies waren z.B. für OS/2: Maximus (die Moonlightning BBS lief die längste Zeit mit Maximus!) und
für DOS: ezyCom, Remote Access (bzw. RA; damit ging's mit der Mooni BBS los) und GS-Box (ein absolut unlustiges System, welches
nur kurz Grundlage des Mooni-Systems darstellte). Windows-Systeme konnten sich damals unter Windows 95 aufgrund der
mangelnden Stabiltät des Betriebssystems nicht durchsetzen. Da eine Mailbox idR 24h täglich erreichbar sein
sollte und daher über viele Tage hinweg ohne Rechner-Neustart laufen sollte, war ein stabiles Betriebssystem absolut
notwendig.
Finanzierung: Den Betreiber bzw. Administrator einer Mailbox nannte man SysOp (= System-Operator). Die meisten SysOps
betrieben ihre Mailboxen völlig kostenfrei. Dass dieses Hobby ebenfalls nicht mit Werbung finanziert wurde war
einerseits auf den mangelnden Bekanntheitsgrad dieser Systeme in der Öffentlichkeit zurückzuführen,
andererseits war es damals auch absolut nicht üblich Online-Inhalte auf kommerzieller Basis zu betreiben.
Lediglich ganz große und Unsummen-verschlingende Systeme in Großstädten, die mehreren hundert Benutzern
gleichzeitig Zugang gewähren konnten, finanzierten sich über User-Beiträge. Im Normalfall wurde der
Mailboxbetrieb als Hobby betrachtet, welches zwar zeit- und kostenintensiv war, aber einfach derart viel Spass bereitete,
dass man sich darüber nicht den Kopf zerbrach. Lediglich freiwillige Spenden waren natürlich immer gerne
gesehen - eine 10-20 Mark Spende war auch absolut keine Seltenheit.
2.1.2 Mailer:
Der Mailer war das "Frontend" einer Mailbox - falls er benötigt wurde. Mailbox-Systeme wie z.B. RA hatten einen integrierten
Mailer. Dabei handelt es sich um den Teil einer Mailbox, der einen Anruf entgegennahm und erkannte, ob ein Zugang zur
Mailbox erfolgen sollte oder ob lediglich Dateien bzw. News (siehe 2.3) ausgetauscht werden sollten. Unter OS/2 war
BinkleyTerm XE als Mailer das NonPlusUltra, die Mooni BBS lief ebenfalls mit diesem recht komfortablen Programm - die
Einrichtung hierfür erfolgte über eine ellenlange Textdatei, die selbst mit deutscher Doku nur schwer in den
Griff zu kriegen war - früher oder später gelang es aber selbst mir ;)
Hier seht Ihr meinen Monitor, auf dem BinkleyTerm XE auf eingehende Anrufe "wartet", der weisse Bereich ist das Log, der
gelbe Bereich zeigt von den Points noch abzuholende News an:
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2.1.3 Messagebase:
Das Nachrichten-System nannte sich "Messagebase". Hier gab es verschiedene Formate wie z.b. Squish oder *.msg. In
großen Nachrichten-Netzen wie dem Fido konnte man sich wochenlang darüber streiten, was nun besser ist,
letztendlich war Maximus für den Einsatz mit Squish eingerichtet. Die Messagebase war eines der "Systembereiche"
einer Mailbox bzw. eines Nachrichten-Systems, welcher unsichtbar im Hintergrund arbeitete.
2.1.4 Sonstige Mailbox-Tools:
Hier möchte ich des einfacheren Verständnisses wegen nur auf einige besonders nennenswerte Helferlein
eingehen:
Tosser: Ein Tosser packte bzw. entpackte die über die Netze verschickten Nachrichten und sortierte sie dann
den entsprechenden Themenbereichen zu. Seine korrekte Konfiguration war das A und O eines Nodes oder Hubs (Verteiler-Knoten
von Nachrichten-Netzen wie Fido).
MaxList: Ein Programm, mit dem man aus einem Datei-Angebot einer Mailbox eine Text-Liste (bzw. "Katalog") zum downloaden
erstellen konnte. Ausserdem konnte dieses Programm die Neuzugänge eines Datei-Angebots scannen und sie in Form einer Mail
in entsprechend eingestellten Nachrichten-Bereichen veröffentlichen. Diese sogenannten Announces wurden oft in eigenen Announce-
Bereichen gepostet (ein Posting ist sozusagen eine Bekanntmachung per Mail). Damit konnte man auch unbekannten Lesern
gleicher Netze das Datei-Angebot der eigenen Mailbox näherbringen und für sie werben.
Fastlist: Hierzu muss man ein wenig ausholen: Nachrichten-Netze wie Fido hatten wie erwähnt Verteiler in einer
Art Stern-Netz-System, die äusseren Enden nannte man Nodes, die Verteiler für die Nodes waren die Hubs, und der
Verteiler für die Hubs war der Host (= Wirt, also der, der alles von sich aus gibt). Da in so einem Netz immer wieder mal
Knoten-Punkte wegfielen und andere hinzukamen musste man eine Art Telefonbuch dieser Knotenpunkte einrichten, die sogenannte
Nodelist, in der alle Einträge versammelt waren. Die Änderungen wurden meist wöchentlich als Update in
sogannten Nodediffs durch die Netze geschickt, da ein praktisch täglich aktualisiertes "Telefonbuch" absolut notwendig
war, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Fastlist (ein sogenannter Nodelisten-Compiler) wertete also einfach die Nodediffs
und Nodelisten aus, um ein für das jeweilige System gültiges "Telefonbuch" aller verfügbaren Nodes, Hubs und
Hosts zu generieren. Pro Netz (Fido, LachNet, GerNet etc.) gab es natürlich eine eigene Nodelist.
2.2 Terminal:
Ein Terminalclient ist eines der beiden Programme, mit denen man eine Mailbox (bzw. BBS, die Kurzform für
Bulletin Board System, was wiederum soviel wie "Schwarzes Brett-System" bedeutet) nutzen kann, nämlich das eigentliche
Mailbox-Angebot. Mithilfe des Terminals stellte man via Modem oder ISDN die Verbindung zur BBS her. Der sogenannte Login erfolgte
anhand der zugeteilten Zugangsdaten (Username, z.B. Taxy und Passwort). Besonders verbreitete Terminals waren Terminate (DOS) und
ZOC (OS/2 und Windows). Das unter Windows mitgelieferte Hyper-Terminal war für eine anspruchsvolle Mailbox-Nutzung kaum
geeignet. Dies ist ein Screenshot der aktuellen ZOC-Version:
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2.3 Pointprogramme:
Mit einem Pointprogramm stellte ein Point die Verbindung mit seinem Node (direkter und einzig möglicher Einwahlknoten,
der die gewünschten Nachrichten-Netz anbot, meist in örtlicher Nähe des Points). Eine Pointsoftware lässt
sich heute am besten mit Programmen wie Outlook vergleichen. Man rief Mails ab, liess sie in entsprechende Kategorien
einsortieren, las und schrieb damit Nachrichten und versendete sie damit auch wieder.
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| Ein Point nannte sich übrigens
deswegen Point, weil er durch Zugabe eines Punktes und einer Nummer an die Adresse seines Nodes angeschlossen wurde.
Beispielsweise hatte der Node die Adresse 2:2476/880 (dessen Hub hätte die 2:2476/800), dann hatte der erste Point die
2:2476/800.1 usw. Sämtliche Teile der Netzadressen hatten ihre Bedeutung, damit ähnlich wie bei Postleitzahlen eine
eindeutige Zuordnung und Hierachie möglich war. Als Pointsoftware war damals vor allem Crosspoint (XPoint) für DOS
und FIPS für Windows sehr verbreitet. Unter OS/2 nutzte man u.a. Sqed, ein Editor, der auf die Squish-Messagebase
zugriff. Hier sehen wir eine typische Ansicht von Nachrichtenbrettern (so nannte man die einzelnen Foren) in XPoint,
dessen Farben sich übrigens auch umstellen liessen:
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